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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 1775/05
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 3 | |
BetrVG § 102 |
Tenor:
führende Parallelsache
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.08.2005 - 5 Ca 1865/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen Kündigung und um Weiterbeschäftigung.
Der am 01.12.13xx geborene Kläger ist verheiratet und keiner weiteren Person zum Unterhalt verpflichtet. Er ist seit dem 05.04.1989 als Elektromonteur für die Beklagte tätig. Sein durchschnittliches Monatseinkommen beträgt unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen ca. 2.000,00 € brutto.
Die Beklagte, die sich u.a. mit Elektro-Installationen befasst, beschäftigt mehr als 200 Arbeitnehmer, davon 139 Elektroinstallateure. Bei ihr ist ein Betriebsrat gewählt. Im März 2005 entschloss sich die Beklagte, insgesamt 16 Elektroinstallateure zu entlassen. Mit Schreiben vom 18.03.2005 leitete sie das Anhörungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat ein, in dem es u.a. heißt:
"Wir hatten Sie in den vergangenen Monaten bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens ohne einschneidende Maßnahmen auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist.
Aus der nachfolgenden Aufstellung ist erkennbar, dass der Auftragsbestand gegenüber dem Vorjahr drastisch eingebrochen ist.
2004
Auftragseingang: 21.130.066,00 Euro
Lohn je Std.: 40,02 Euro
Gesamtlohn: 8.643,559,00 Euro
(Gesamtstd. 2004 x 40,02)
% Anteil Lohn v. Auftragseingang: 40,91 Prozent
Auftragsbestand a. d. Vorjahr (2003) 10.893,500,00 Euro
2005
Auftragsbestand a.d. Vorjahr (2004) 7.128.000,00 Euro
Planzahl für den Auftragseingang 2005 20.000.000,00 Euro
Die Differenz des Auftragsbestandes von 2004 zu 2005 beträgt 3.765.500 Euro. Bei einem Lohnanteil von 40,9 Prozent in 2004 beträgt der Rückgang des Lohnanteils vom gesamten Auftragsbestand aus dem Vorjahr 1.540.089 Euro.
Dieser Lohnanteil im Verhältnis zu einer produktiven Jahresarbeitszeit von 1702 Stunden (46 Wochen x 37,0 Std.) je Monteur ergibt mit dem Stundensatz von 40,02 Euro eine Verringerung des Mitarbeiterbestandes von 22 Mitarbeitern (22,6).
Der Vergleich zwischen dem Auftragseingang aus Januar 04 bis 17.03.2004 mit dem gleichen Zeitraum des Jahres 2005 zeigt, dass keine Besserung eingetreten ist und die Prognose für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres einen weiteren erheblichen Auftragsrückgang vorsieht.
Wir haben daher die Entscheidung getroffen, 16 Mitarbeiter betriebsbedingt zu kündigen.
Bei den zur Kündigung anstehenden Mitarbeitern handelt es sich ausschließlich um Mitarbeiter aus dem Bereich Installation.
Aus dieser Gruppe sind ausschließlich Mitarbeiter betroffen, die als Elektromonteure eingesetzt sind.
Mitarbeiter, die als Schlosser oder im Lagerbereich eingesetzt sind, sind von der Maßnahme nicht betroffen und wurden von vornherein nicht berücksichtigt.
Des Weiteren sind alle Mitarbeiter, die aufgrund der Ausübung eines Betriebsratsmandates, Schwerbehindertenmandates oder Jugendvertretermandates außer Acht gelassen worden.
Bevor die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter auf der Basis sozialer Gesichtspunkte vorgenommen wurde, haben wir die Mitarbeiter festgelegt, die aufgrund ihrer Qualifikation und von der Stellung her für den Erhalt des Unternehmens unverzichtbar sind und mit den zur Auswahl stehenden Mitarbeitern nicht vergleichbar sind.
Bei der von uns vorgenommenen Sozialauswahl sind dann alle vergleichbaren und für die Kündigung in Frage kommenden Mitarbeiter in eine Liste übernommen und gemäß dem nachstehend aufgeführten Punktesystem "bewertet" worden:
1. Je Beschäftigungsjahr Betriebszugehörigkeit 1 Punkt ab dem 11. Beschäftigungsjahr je Dienstjahr 2 Punkte max. 70 Punkte
2. Lebensalter für jedes volle Lebensjahr 1 Punkt bis max. zum 55. Lebensjahr, d.h. max. 55 Punkte
3. je unterhaltsberechtigtem Kind 4 Punkte
4. verheiratet oder unterhaltsverpflichtet gegenüber der geschiedenen Ehefrau 8 Punkte
5. Schwerbehinderung bis 50 % über 50 % je 10 Punkte 5 Punkte
6. Abschließende Bewertung
Nach Bewertung der einzelnen Kriterien haben wir zur Erhaltung der bestehenden Altersstruktur Altersgruppen wie folgt gebildet:
bis 20 Jahre
bis 25 Jahre
bis 30 Jahre
bis 35 Jahre
bis 40 Jahre
bis 45 Jahre
bis 50 Jahre
bis 55 Jahre
bis 60 Jahre
Die einzelnen Altersgruppen sind dann entsprechend der Gesamtpunktzahl sortiert worden.
Die Entscheidung, wie viele Mitarbeiter der jeweiligen Altersgruppe gekündigt werden, wurde entsprechend dem prozentualen Verhältnis aller für die Kündigung in Frage kommenden Mitarbeiter zur Anzahl der zu kündigenden 16 Mitarbeiter, getroffen.
In der abschließenden Bewertung haben wir dann die von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter bestimmt.
Anbei erhalten Sie eine Gesamtübersicht (Anlage I) aller beschäftigten gewerblichen Mitarbeiter. Die in dieser Aufstellung "fett" markierten Mitarbeiter haben wir in die Sozialauswahl nicht mit einbezogen, da Sie mit den zur Kündigung in Frage kommenden Mitarbeitern nicht vergleichbar sind.
Die Mitarbeiter, die für eine Kündigung in Frage kommen, haben wir Ihnen in der Anlage II beigefügt.
Aus dieser Übersicht haben wir die entsprechenden Altersgruppen gebildet, die wir Ihnen ebenfalls beigefügt haben (Anlage III). Innerhalb dieser Altersgruppen sind die Mitarbeiter dann entsprechend der erreichten Punktezahl sortiert worden. Die nach der abschließenden Bewertung von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter haben wir Ihnen im unteren Abschnitt aufgeführt.
Hierzu verweisen wir auch auf das Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn P3xx, dem wir ausführlich erläutert haben, warum die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter so erfolgt ist.
Die aktuelle Marktsituation, mit den teilweise mehr als 20 Prozent niedrigerem Lohnniveau der Mitbewerber aus dem östlichen Teil der Bundesrepublik, lässt auch für die Zukunft keine positive Prognose zu.
Beispielhaft führen wir Ihnen auszugsweise einige Submissionsergebnisse (Anlage IV) bei. Ferner zeigen wir an, dass wir das Objekt I2xx S5xxxx zu einem Preis von 2.337.074 Euro angeboten haben. Der Zuschlag wurde einem Mitbewerber zum Preis von 1.950.000 Euro erteilt.
Auch hier verweisen wir auf unsere weiteren ausführlichen Ausführungen aus dem Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn P3xx.
Die beabsichtigten Kündigungen sind dringend erforderlich und wir erwarten unverzüglich Ihre Stellungnahme."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Anhörungsschreibens sowie der darin genannten Anlagen I bis IV wird auf die von der Beklagten im Termin vom 23.02.2006 zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 29.03.2005 erhob der Betriebsrat Widerspruch zur beabsichtigten Kündigung des Klägers, den er wie folgt begründete:
"Wir zweifeln die Existenz einer Auswahlrichtlinie nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG an, da die von Ihnen getroffene Sozialauswahl ohne Zustimmung des Betriebsrates erfolgt ist, verweisen wir in diesem Zusammenhang auf die Ausführung des § 95 Abs. 1 BetrVG, wonach die Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Aus den vorgenannten Gründen verweigern wir die Zustimmung zu dem von Ihnen angedachten Kündigungsbegehren.
Darüber hinaus ist die von Ihnen vorgenommene Sozialauswahl fehlerhaft, weil nicht alle gewerblichen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl aufgenommen wurden.
Des Weiteren sind uns von der Arbeitgeberin keine ausreichenden dokumentierbaren Gründe benannt worden, um die sogenannten Leistungsträger von der Sozialauswahl auszuklammern.
Zudem ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis gestört, weil pauschal 37 % der Belegschaft als Leistungsträger erklärt wurden.
Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass eine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG am selben Arbeitsplatz möglich ist, weil ausreichende betriebliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung nicht dargelegt worden sind.
Außerdem werden zur Zeit noch Leiharbeitnehmer auf Baustellen eingesetzt.
- Baustelle I2xx S6xxxxxxxx 2 Leiharbeitnehmer
- Baustelle A2x B4xxxx 3 Leiharbeitnehmer
- Baustelle Haus B5xxx 2 Leiharbeitnehmer.
Der Betriebsrat gibt zu bedenken, dass Herr M2xxxxx aufgrund seines Alters keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden würde."
Mit Schreiben vom 30.03.2005 erklärte die Beklagte dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2005. Hiergegen richtet sich die am 06.04.2005 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangene Feststellungsklage.
Der Kläger hat vorgetragen, Gründe für die Kündigung seien nicht gegeben. Außerdem sei die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen worden. Zu Unrecht habe die Beklagte auch Leistungsträger aus der sozialen Auswahl herausgenommen. Die ihm, dem Kläger, vorliegenden Unterlagen ließen nicht erkennen, welche Gründe die Beklagte veranlasst habe, 56 mit ihm vergleichbare Elektroinstallateure aus der sozialen Auswahl herauszunehmen. Er rüge deshalb, dass nicht alle mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einbezogen worden seien, und fordere die Beklagte auf, die Gründe dafür zu benennen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.03.2005, zugegangen am 30.03.2005, nicht aufgelöst worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen erforderlich gewesen. Zu Beginn des Jahres 2005 sei festgestellt worden, dass in erheblichem Maße Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen seien. Sie, die Beklagte, führe Elektroinstallationen jedweder Art aus und beschäftige hierbei 139 Elektroinstallateure, zu denen auch der Kläger gehöre. Die Aufträge, die sie erhalte, seien maßgeblich für die Beschäftigung der bei ihr tätigen Elektroinstallateure. Zu Beginn des Jahres 2005 habe sie feststellen müssen, dass infolge eines drastischen Auftragseinbruchs zu viele Elektroinstallateure beschäftigt seien. Aus den Auftragsvolumina lasse sich direkt die Beschäftigung errechnen. Sie, die Beklagte, sei mit einem Auftragsbestand von 10.893.500,00 Euro in das Jahr 2004 gegangen. Der Auftragseingang im Jahre 2004 habe sich auf insgesamt 21.130.066,00 Euro belaufen. Im Jahre 2005 habe der aus dem Vorjahr herrührende Auftragsbestand lediglich 7.128.000,00 Euro betragen. Die Differenz zum Auftragsbestand des Jahres 2004 habe somit 3.765.500,00 Euro betragen. Hierin sei ein Lohnstundenanteil von 40,91 % enthalten, was bedeute, dass der Lohnstundenanteil von 2004 auf 2005 um 1.540.089,00 Euro zurückgegangen sei. In Stundenvolumina ausgedrückt bedeute dies, dass gegenüber dem Vorjahr 38.483 produktive Stunden fehlten. Bei einer produktiven Jahresarbeitszeit von 1.702 Stunden (46 Wochen pro Jahr x 37 Stunden) ergebe sich ein Rückgang im Beschäftigungsvolumen von 22,6 Arbeitnehmern. Bis zum 17.03.2005 habe sich der Auftragseingang im Vergleich zum Jahre 2004 nicht gebessert. Nach der Prognose für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres zum 17.03.2005 habe ein weiterer erheblicher Auftragsrückgang gedroht. Infolgedessen habe sie sich gezwungen gesehen, sich von 16 Mitarbeitern betriebsbedingt zu trennen. Dabei habe es sich ausschließlich um Elektroinstallateure gehandelt. Sie, die Beklagte, sei aufgrund rückläufiger Aufträge nicht mehr in der Lage, sämtliche bei ihr tätigen Elektroinstallateure zu beschäftigen. Gegenwärtig arbeite sie zu Lasten ihres Auftragsbestandes.
Auch die Grundsätze der sozialen Auswahl seien beachtet worden. Sie, die Beklagte, habe die Entscheidung getroffen, die 16 zu kündigenden Arbeitnehmer durch Bildung von Altersgruppen auszuwählen. Bei der Sozialauswahl seien alle vergleichbaren, für die Kündigung in Frage kommenden Mitarbeiter in eine Liste aufgenommen worden. Im Anschluss an eine Bepunktung, die für jeden Mitarbeiter vorgenommen worden sei, habe eine abschließende Einzelfallbewertung stattgefunden. Sodann seien die bei ihr beschäftigten vergleichbaren Mitarbeiter zur Erhaltung der bestehenden Altersstruktur in Altersgruppen eingeteilt worden, die entsprechend der von den Mitarbeitern erreichten Gesamtpunktzahl sortiert worden seien. Die Entscheidung, wie viele Arbeitnehmer der jeweiligen Altersgruppe zu kündigen gewesen seien, habe sie entsprechend dem prozentualen Verhältnis aller für die Kündigung in Frage kommenden Arbeitnehmer im Hinblick auf die zu kündigenden 16 Arbeitnehmer getroffen. In einer abschließender Einzelfallbewertung seien dann die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer bestimmt worden.
Freie adäquate Arbeitsplätze stünden ihr, der Beklagten, nicht zur Verfügung.
Durch Urteil vom 03.08.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 15.08.2005 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 12.09.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.11.2005 - am 15.11.2005 begründet worden ist.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Kündigung vom 30.03.2005 sei als rechtswirksam anzusehen. Zur Begründung trägt sie vor, es seien dringende betriebliche Erfordernisse gegeben, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden. Entsprechend ihrem Sachvortrag sei der Auftragsbestand erheblich rückläufig gewesen, so dass eine weitere Beschäftigung von Elektroinstallateuren im bisherigen Umfang nicht mehr zu vertreten gewesen sei. Gerade der Auftragsbestand am Beginn eines Jahres sei der entscheidende Indikator für die Beschäftigungslage im gesamten Kalenderjahr. Sie, die Beklagte, haben ihren Betrieb so organisiert, dass sich die Zahl der benötigen Arbeitnehmer unmittelbar aus dem Auftragsbestand zu Beginn eines Jahres ergebe. Auftragsbestand und Auftragseingang bestimmten die konkrete Arbeitsmenge. Unzutreffend sei, dass der Auftragsbestand erst vollständig abgearbeitet bzw. zum Kündigungstermin abgebaut sein müsse, ehe gekündigt werden könne. Der Auftragsbestand zu Beginn des Jahres 2005 in Höhe von 7.128.000,00 Euro bedeute volumenmäßig - auf der Basis der Zahlen für das Jahr 2004 - eine Auslastung von etwas mehr als drei Monaten für sämtliche beschäftigten Elektromonteure. Ohne neue Aufträge seien mit dem vorhandenen Auftragsbestand die Elektromonteure nur noch etwas länger als drei Monate zu beschäftigen gewesen. Sie, die Beklagte, habe deshalb die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Personalbestand bei den 139 gewerblichen Arbeitnehmern, zu denen auch der Kläger gehöre, auf Dauer um 16 Elektroinstallateure zu reduzieren. Diese Anfang März 2005 getroffene Entscheidung sei angesichts der Einbrüche beim Auftragsbestand und Auftragseingang nicht zu beanstanden.
Auch die soziale Auswahl könne nicht beanstandet werden. Innerhalb der gebildeten Altersgruppen habe sie, die Beklagte, die Auswahl nach einem vom Bundesarbeitsgericht gebilligten Punktesystem durchgeführt. Sie habe zunächst eine Liste aller gewerblichen Arbeitnehmer erstellt, die sie beschäftige (Anlage I). Sodann habe sie sämtliche aus ihrer Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer alphabetisch geordnet in eine weitere Liste aufgenommen (Anlage II). Schließlich habe sie Einzellisten für die jeweils gebildeten Altersgruppen erstellt (Anlage III). Die vergleichbaren Mitarbeiter seien dann auf die einzelnen Altersgruppen verteilt und entsprechend dem Punktesystem in eine Reihenfolge gesetzt worden. In jeder Altersgruppe seien schließlich proportional die zu entlassenden Arbeitnehmer festgelegt worden. Die soziale Auswahl, die zur Kündigung des Klägers geführt habe, sei nach alledem nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die Altersgruppenbildung. Die bestehende, bereits ungünstige Altersstruktur sei mit der Bildung von Altersgruppen wenigstens gesichert worden. Falls die soziale Auswahl ausschließlich nach § 1 Abs. 3 KSchG vorgenommen worden wäre, hätte es bei ihr keine Elektroinstallateure unter 35 Jahren mehr gegeben.
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger habe es in ihrem Unternehmen weder im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung Ende März 2005 noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gegeben.
Entgegen der Auffassung des Klägers habe sie, die Beklagte, die gekündigten Arbeitnehmer auch nicht durch andere Arbeitnehmer ersetzt. Auch in der Vergangenheit sei sie bis einschließlich Ende des Jahres 2004 nicht ohne Leiharbeitnehmer ausgekommen. Dies werde auch in Zukunft nicht anders sein. Wenn sie nicht in der Lage sei, Leiharbeitnehmer kostenentlastend einzusetzen, seien keine Aufträge mehr zu erlangen. Die Mischkalkulation, einerseits Stammarbeitnehmer, andererseits Leiharbeitnehmer, sichere die bei ihr vorhandenen Arbeitsplätze. Allerdings habe sie im Jahre 2005 nicht durchgängig Leiharbeitnehmer beschäftigt. Von April bis Ende Juni 2005 seien keine Leiharbeitnehmer bei ihr tätig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.08.2005 - 5 Ca 1865/05 - abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er vertritt weiter die Auffassung, die streitgegenständliche Kündigung sei rechtsunwirksam. Die Beklagte habe den Auftragsrückgang nicht schlüssig dargelegt. Das Zahlenwerk der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Die Prognoseentscheidung der Beklagten sei auch deshalb zweifelhaft, weil unstreitig immer wieder Leiharbeitnehmer beschäftigt würden. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft erfolgt. Schließlich bestreitet er, dass die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Parallelverfahren 15 Sa 1796/05, 15 Sa 1828/05, 15 Sa 2059/05 und 15 Sa 2202/05 wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Der Sache nach hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2005 nicht mit Ablauf des 30.09.2005 aufgelöst worden. Hierbei kann dahinstehen, ob die Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist, sozial ungerechtfertigt ist. Denn die Anhörung des Betriebsrats, die unstreitig gemäß Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 im Hinblick auf den Kläger und die weiteren Kläger der Parallelverfahren einheitlich und in gleicher Art und Weise durchgeführt worden ist, entspricht inhaltlich nicht den Anforderungen, die an die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zu stellen sind. Hat das Arbeitsverhältnis der Parteien damit nicht mit Ablauf der Kündigungsfrist geendet, so ist die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.
1. Eine Kündigung ist nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.1995 - 2 AZR 974/94 -, NZA 1996, 419, 421 m.w.N.). Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Sie hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht vorzubringen (so BAG, AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972).
An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren sind allerdings nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Prozess. Zudem gilt der Grundsatz der "subjektiven Determinierung". Danach ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Hinsichtlich dieser Umstände genügt es andererseits in der Regel nicht, dass der Arbeitgeber sie nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig vorträgt oder bloße Werturteile mitteilt. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist immer so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAG, Urteil vom15.11.1995 - 2 AZR 974/94, NZA 1996, 419, 421 m.w.N.). Die pauschale Umschreibung des Kündigungsgrundes kann lediglich ausnahmsweise dann genügen, wenn der Arbeitgeber seine Motivation nicht mit konkreten Tatsachen belegen kann (BAG, Urteil vom 06.06.1991 - 2 AZR 540/90 -; Urteil vom 08.09.1988, EZR § 202 BetrVG 1972 Nr. 73).
Kommt es bei betriebsbedingten Kündigungen auf die soziale Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern an, so sind in der Betriebsratsanhörung auch die hierfür wesentlichen Gesichtspunkte, die sogenannten Sozialdaten anzugeben. Soweit § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in Frage steht, ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, unaufgefordert von sich aus dem Betriebsrat die Gründe mitzuteilen, aus denen er bestimmte Arbeitnehmer von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausnehmen will. Nur bei Kenntnis der Leistungs- und Qualifikationsunterschiede kann sich der Betriebsrat ein zutreffendes Bild davon machen, ob tatsächlich Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegen, die die Herausnahme an sich vergleichbarer Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl bedingen. Wird ihm dies verwehrt, entfällt ein wesentliches Korrektiv im Vorfeld, so dass die Schutzfunktion der Sozialauswahl praktisch unterlaufen wird. Dient die Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat schließlich die Art der Personalstruktur zu benennen, die er aufrechterhalten will, sowie die Kriterien für die Bildung von Gruppen zur Sicherung der entsprechenden Personalstruktur aufzustellen (vgl. Fitting, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 22. Aufl., § 102 Rn. 30 und 35 m.w.N.).
2. Diesen Anforderungen, die an die Informationspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zu stellen sind, ist die Beklagte nicht ausreichend nachgekommen. Das Schreiben vom 18.03.2005, durch das die Betriebsratsanhörung im Hinblick auf die Kündigung des Klägers im vorliegenden Verfahren und auch in den beigezogenen Parallelverfahren inhaltlich übereinstimmend eingeleitet worden ist, enthält keine Gründe, warum die Beklagte zahlreiche Elektroinstallateure, die bei ihr beschäftigt sind, von der Sozialauswahl ausgenommen hat.
a) Unstreitig beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt 139 gewerbliche Arbeitnehmer, darunter 128 Elektroinstallateure, so auch den Kläger. Dies ergibt sich aus der Liste aller gewerblichen Mitarbeiter, die als Anlage I dem Anhörungsschreiben beigefügt ist. Die in dieser Liste fettgedruckten Namen der gewerblichen Mitarbeiter sind nicht in die Liste für die Sozialauswahl aufgenommen worden, die als Anlage II dem Anhörungsschreiben beigefügt ist und die Namen von 70 Elektroinstallateuren enthält. Zur Erläuterung dieses Vorgehens hat die Beklagte im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 den Betriebsrat wörtlich folgendes mitgeteilt:
"Bei den zur Kündigung anstehenden Mitarbeitern handelt es sich ausschließlich um Mitarbeiter aus dem Bereich Installation."
Aus dieser Gruppe sind ausschließlich Mitarbeiter betroffen, die als Elektroinstallateure eingesetzt sind.
Mitarbeiter, die als Schlosser oder im Lagerbereich eingesetzt sind, sind von der Maßnahme nicht betroffen und wurden von vornherein nicht berücksichtigt.
Des Weiteren sind alle Mitarbeiter, die aufgrund der Ausübung eines Betriebsratsmandates, Schwerbehindertenmandates oder Jugendvertretermandates außer Acht gelassen worden.
Bevor die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter auf der Basis sozialer Gesichtspunkte vorgenommen wurde, haben wir die Mitarbeiter festgelegt, die aufgrund ihrer Qualifikation und von der Stellung her für den Erhalt des Unternehmens unverzichtbar sind und mit den zur Auswahl stehenden Mitarbeiter nicht vergleichbar sind."
Diese Erklärungen, die die Beklagte zur Erläuterung der Tatsache abgegeben hat, dass von 128 bei ihr beschäftigten Elektroinstallateuren nur 70 in die Anlage II und damit in die eigentliche Sozialauswahl einbezogen worden sind, lassen nur den Schluss zu, dass die in Anlage II nicht aufgeführten weiteren Elektroinstallateure, soweit sie nicht dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung oder der Jugendvertretung angehörten, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgenommen werden sollten. Anders können die Ausführungen der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 nicht verstanden werden. In diesem Sinne hat sie auch der Betriebsrat als Erklärungsempfänger verstanden. Dies ergibt sich aus dem Widerspruchsschreiben vom 29.03.2005, in dem es u.a. heißt:
"Des Weiteren sind uns von der Arbeitgeberin keine ausreichenden dokumentierbaren Gründe benannt worden, um die sogenannten Leistungsträger von der Sozialauswahl auszuklammern. Zudem ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis gestört, weil pauschal 37 % der Belegschaft als Leistungsträger erklärt wurden."
Andere Kriterien, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, weshalb zahlreiche Elektroinstallateure, die nicht dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung oder der Jugendvertretung angehören, nicht in die Sozialauswahl einbezogen worden sind, hat die Beklagte dem Betriebsrat nicht genannt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten, die nicht in die Sozialauswahl einbezogenen Elektroinstallateure seien "aufgrund ihrer Qualifikation und von der Stellung her für den Erhalt des Unternehmens unverzichtbar", konnte der Betriebsrat als sorgfältiger Erklärungsempfänger nur davon ausgehen, Grund für diese Maßnahme sei die sogenannte Leistungsträgerregelung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Andere Gesichtspunkte, die die Herausnahme einer derartig großen Zahl von Elektroinstallateuren aus der Sozialauswahl rechtfertigen könnten, sind im Anhörungsschreiben nicht genannt; sie sind auch nicht ersichtlich.
b) Konnte und musste der Betriebsrat unter Berücksichtigung der Mitteilungen der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 davon ausgehen, die Herausnahme zahlreicher Elektroinstallateure aus der Sozialauswahl beruhe auf der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, so ist die Betriebsratsanhörung fehlerhaft erfolgt.
aa) Die Beklagte hat eingeräumt, es sei richtig, dass sie dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe, welche Arbeitnehmer aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Stellung sowie aus welchen weiteren Gründen für sie unverzichtbar gewesen sind. Sie hat allerdings weiter vorgetragen, sie habe tatsächlich auch keine Arbeitnehmer wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG herausgenommen. Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens der Beklagten, das im Widerspruch zu den oben genannten Mitteilungen der Beklagten an den Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 steht, kann die Betriebsratsanhörung nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Gründe im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, die es rechtfertigen könnten, zahlreiche Elektroinstallateure, die unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und Qualifikation mit dem Kläger vergleichbar sind, nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, hat die Beklagte im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 nicht benannt. Wird unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Beklagten davon ausgegangen, dass die Beklagte keine Arbeitnehmer wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG herausgenommen hat, so bedurfte es zwar insoweit auch keiner Mitteilungen an den Betriebsrat. Allerdings hätte die Beklagte in diesem Fall dem Betriebsrat mitteilen müssen, aus welchen anderen Gründen sie nur 70 von insgesamt 128 Elektroinstallateure in die Sozialauswahl einbezogen hat. Hierzu fehlen im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 jegliche Angaben. Es findet sich allein der Hinweis, dass die Beklagte vor Durchführung der Sozialauswahl diejenigen Mitarbeiter bestimmt hat, die aufgrund ihrer Qualifikation und von der Stellung her für den Erhalt des Unternehmens unverzichtbar sind und die deshalb nicht in die Anlage II zur Sozialauswahl aufgenommen worden sind. Wie bereits ausgeführt wurde, konnte der Betriebsrat als sorgfältiger Erklärungsempfänger hieraus nur schließen, die nicht in die Anlage II aufgenommenen Elektroinstallateure sollten gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommen werden. Diese Mitteilung der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 war unter Berücksichtigung des prozessualen Vorbringens der Beklagten, sie habe keine Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl herausgenommen, unzutreffend.
bb) Treffen die von der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 18.03.2005 genannten Gründe für die Herausnahme zahlreicher Elektroinstallateure aus der Sozialauswahl nicht zu und sind andere Gründe hierfür dem Betriebsrat weder benannt noch ersichtlich, so entspricht die Anhörung des Betriebsrats inhaltlich nicht den Anforderungen, die an die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zu stellen sind. Dies hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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